Donnerstag, 27.07.2023 , 06:00 Uhr, von Angela Potthast
Warum ein kleiner Harzburger Chor wächst und gedeiht
In Zeiten, in denen Chöre sterben, hat die Deutsch-Französische-Gesellschaft einen gegründet. Und das mit Erfolg. Das Ensemble hatte sogar schon Auftritte beim Salz- und Lichterfest. Die GZ hat den Chorleiter nach dem Geheimnis des Erfolges gefragt.
Bad Harzburg. So einigen Chören bleiben die Stimmen weg. Gründe, weswegen, gibt es einige. Das Alter der Sänger und Sängerinnen, ein Mangel an Nachrückern jüngeren Jahrgangs, an Dirigenten, an Vorstandsvorsitzenden. Innerhalb der Deutsch-Französischen Gesellschaft (DFG) Bad Harzburg hingegen hat sich Anfang 2022 ein kleines Ensemble formiert.
Es ist ein junger Chor mit Mitgliedern, die sich auf etwas Neues eingelassen haben. Ihr Alter: 60plus laut Hans Kolmsee, „die Ältesten sind Mitte 80“. Er selbst ist Jahrgang 1949, stellvertretender Vorsitzender der DFG und wurde zum Leiter berufen – nach Treffen zwei. Der Wunsch, einen Chor zu bilden, habe schon länger bestanden, weiß er. Im Jahr des DFG-Jubiläums, also 2022, wurde er wahr. Und diese besondere Festivität im Fokus – die Vereinsgründung vor 50 Jahren –, übten sie. Ihr Auftritt im Bündheimer Schloss sei mit viel Applaus bedacht worden, so Hans Kolmsee.
Immer mehr Auftritte
Dem ersten Bühnenerlebnis folgte bald das nächste. Veranstaltungsplaner Maik Herrmann fragte an, ob der DFG-Chor nicht im Badepark singen wolle. „Schnappatmung“ sei die erste Reaktion gewesen. Und am Lichterfest-Tag? Erst hätten sie noch verhalten gesungen, dann immer kraftvoller. Die Fortsetzung war die Verabschiedung von Hans-Peter Funhoff aus seinem Amt als Diakon und zum Gemeindefest der Luthergemeinde. Eine weitere wird es geben zum nächsten Salz- und Lichterfest. Auf eine neuerliche Anfrage von Maik Herrmann hätten sie nämlich mit einem „ja“ geantwortet. „Völlig schmerzbefreit.“
Neue Stücke übt Chorleiter Hans Kolmsee zunächst zu Hause ein – an warmen Tagen auch mal in legerer Sommerkleidung. Als Linkshänder spielt er eine Rechtshänder-Gitarre, was schon manch einen verwirrt haben soll. Für seine bis zu 15 Sängerinnen und Sänger ist das jedoch ein gewohnter Anblick.
Einige der Sängerinnen und Sänger haben Chorerfahrung, einige nicht, einige sprechen Französisch, einige nicht. Doch es klappt. „Die Handbremse ist raus.“ Das Repertoire wächst.
Da der Chor aus der DFG hervorgegangen ist, sind deutsche und französische Volkslieder fast schon Pflicht, Chansons sowieso. Soli gibt das Programm mittlerweile ebenfalls her.
Einmal im Monat proben sie im Haus von Gertfried Herrmann, DFG-Mitglied und Ehrenpräsident der TSG Bad Harzburg. „Wir singen durch, was als nächstes ansteht.“ Vorschläge „aus dem erlauchten Auditorium“, was man wann singen könne, würden erörtert. „Das läuft sehr locker.“ Zwei bis zweieinhalb Stunden seien sie beisammen. Das Soziale ist laut Chorleiter ein zusätzlicher, ein wichtiger Aspekt.
Selbst beigebracht
Steht ein neues Lied an, übt es Hans Kolmsee zu Hause und trägt es während der nächsten Probe vor – singend und sich selbst auf der Gitarre begleitend. Als Linkshänder spielt er ein Rechtshänder-Instrument. Bedeutet: Die tiefe Saite liegt für ihn unten. Er ist Autodidakt. Für den Chor nutzt er ein zwölfsaitiges Instrument, besitzt auch eine sechssaitiges mexikanischer Herkunft und seit vergangenem Jahr eine E-Gitarre samt Verstärker.
Damit habe er sich einen Jugendtraum erfüllt. „Ich spiele heute Sachen, die hätte ich früher nicht angefasst“, sagt er über sich. Übrigens: Französisch lernte er zu Schulzeiten, vertiefte die Sprache in Belgien, wohin es ihn und seine Ehefrau Erika für ein paar Jahre beruflich verschlagen hatte. In Pandemie-Lockdown-Phasen stellte er sich auf die Terrasse und zupfte die Gitarrensaiten. Seine Nachbarn hörten das und applaudierten.
Erläuterungen zur Herkunft, Entstehung und Bedeutung neuer Lieder werden während des Erarbeitens neuer Gesangsstücke ebenfalls geliefert. Das wirke sich schließlich positiv auf die Interpretation aus. „Sie können inzwischen sehr vieles und das auch sehr gut“, spricht Hans Kolmsee anerkennend über die Chormitglieder.
Gesundes Lampenfieber
Lampenfieber sei noch vorhanden, allerdings in gesundem Maß. Als er ihnen das „Le temps des cerises“, ein Stück aus dem 19. Jahrhundert angeboten habe, hätten sie es zwar erstmal als zu schwer eingestuft. „Inzwischen singen sie es engelsgleich.“
Wenn sie in die Öffentlichkeit gehen, wollen sie künftig ein Chor-Signum tragen: eine Schleife in den französischen Nationalfarben. Erika Kolmsee brachte die Idee ein. Vom Chor goutiert, wird sie sich demnächst ans Werk machen. Der nächste Auftritt lässt ja nicht mehr lange auf sich warten.