Mit dem Virus leben

Mit dem Virus leben

von der Webseite der VEREINIGUNG DEUTSCH-FRANZÖSISCHER GESELLSCHAFTEN FÜR EUROPA E.V (VDFG) am 1.9.2020 übernommen.

“Zum Ende der Sommerpause haben sich die Regierungschefs in Berlin und Paris wieder zu Wort gemeldet: Angela Merkel und Jean Castex mußten Maßnahmen ergreifen, denn die Zahl der Neuinfektionen in beiden Ländern steigt wieder an, und zwar kontinuierlich und in erheblichem Ausmaß. “Wir müssen mit dem Virus leben” lautet die Überschrift über die Maßnahmen, die Castex in einer Pressekonferenz am 27. August erläutert hat. “Wir werden noch länger mit dem Virus leben müssen”, sagte die Kanzlerin bei ihrer Sommer-Pressekonferenz am 28. August.

In beiden Ländern sind die Infektionszahlen in der Sommerzeit wieder gestiegen, obwohl das warme Wetter und viele Aktivitäten im Freien eigentlich der Ausbreitung des Virus nicht förderlich sein sollten. Aber viele private Feiern nach den monatelangen Einschränkungen und sommerliche Leichtigkeit haben, unter anderem, zu den steigenden Zahlen geführt, und zwar flächendeckend: Von unter 400 Neuinfektionen pro Tag in Deutschland zu Beginn des Sommers auf inzwischen über 1000 und von unter 1000 am Ende des “confinement” in Frankreich auf zum Teil weit über 3000. Beide Regierungen müssen jetzt zeigen, daß sie die Lage ernst nehmen ohne zu dramatisieren.

Mit weiteren Erleichterungen ist erst einmal nicht zu rechnen. Im Gegenteil: Frankreich erhöht die Zahl der “roten” Départements, in denen mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern gezählt werden (das entspricht dem in Deutschland geltenden Kriterium für Landkreise) von 2 auf 21. Dort haben die Präfekten nun erweiterte Befugnisse, um lokal angepaßte schärfere Einschränkungen zu erlassen – im Einvernehmen mit den zuständigen Bürgermeistern und lokalen Parlamenten. Maskenpflicht herrscht dort in allen geschlossenen öffentlichen Räumen, in denen sich mehrere Personen befinden – inklusive Arbeitsplatz. Auch für alle Lehrer, vom Kindergarten bis zum Gymnasium, herrscht Maskenpflicht; für Schüler ab 11 Jahre. In Paris und den Gemeinden der “petite couronne” ist sogar allgemeine Maskenpflicht, nicht nur in geschlossenen Räumen, angeordnet. Gesundheitlich gefährdeten Personen und Familien in prekären Verhältnissen stellt der Staat Masken kostenlos zur Verfügung. Die Zahl der Testungen soll von über 800.000 in der Woche des 16. August auf eine Million pro Woche im September erhöht werden.

Weitere Maßnahmen werden je nach Infektionsgeschehen erwogen. Gesundheitsminister Olivier Véran wird wöchentlich eine Pressekonferenz abhalten und erläutern, welche Maßnahmen jeweils ergriffen werden. Der Premierminister und auch Präsident Macron versichern, daß sie ein neuerliches “confinement” wie im Frühjahr vermeiden wollen. Aber “die Pläne für ein reconfinement sind fertig”, versichert Castex, und das Gesundheitssystem, die Krankenhäuser, seien vorbereitet.

Auch die Bundeskanzlerin hat sich am 27. August wieder mit den Ministerpräsidenten der Länder getroffen, um die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie zu koordinieren. “Weitere größere Öffnungsschritte” sind demnach “vorerst nicht zu rechtfertigen”, heißt es im Beschluß der Regierungschefs. Für einen Verstoß gegen die Maskenpflicht in bestimmten öffentlichen Bereichen wird ein Bußgeld von mindestens 50 € vereinbart (außer in Sachsen-Anhalt). Reiserückkehrer aus Risikogebieten, wie sie vom Robert-Koch-Institut klassifiziert werden, müssen sich unverzüglich für 14 Tage in häusliche Quarantäne begeben und können diese vorzeitig frühestens durch einen Test ab dem fünften Tag nach Rückkehr beenden. Großveranstaltungen, bei denen die Einhaltung von Hygieneregeln und eine Kontaktverfolgung nicht möglich ist, bleiben bis zum Ende des Jahres untersagt.

Beide Regierungen haben im übrigen betont, daß sie gerade zum Ende der Ferienzeit große Aufmerksamkeit auf Kinder und Jugendliche legen wollen. In Deutschland liegt die Verantwortung dafür bei den Ländern, die gleiche Maßstäbe für den Betrieb von Kitas und Schulen vereinbaren wollen. Die Kanzlerin hat ausdrücklich eine Mitverantwortung der Bundesregierung erklärt. In Frankreich wird dies zentral geregelt. Für den Einstieg von Schulabgängern in den Arbeitsmarkt hat der Premierminister besondere Hilfen angekündigt. Beide Regierungen haben die jeweils umfangreichen Hilfsprogramme für die Wirtschaft mit der Perspektive von Investitionen in technologische Innovation, Digitalisierung und ökologischen Umbau verbunden. Auch den aus der Corona-Krise zu ziehenden Schlußfolgerungen für eine Stärkung des öffentlichen Gesundheitswesens haben beide Regierungschefs große Bedeutung beigemessen. Und schließlich haben sowohl Merkel wie Castex die weitere Unterstützung für weiterhin gefährdete Wirtschaftssektoren etwa im Kulturbereich zugesagt, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu unterstützen.

Die Lage bleibt ernst, und auch wir werden weiterhin mit eingeschränkten Möglichkeiten für unsere Aktivitäten leben müssen. D.P.”

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