Valéry Giscard d’Estaing war ein Freund Deutschlands

Valéry Giscard d’Estaing war ein Freund Deutschlands

Die VDFG trauert um einen Elsie Kühn-Leitz-Preisträger

Im gesegneten Alter von 94 Jahren verstarb am 2. Dezember der ehemalige französische Staatspräsident Valéry Giscard’Estaing – an Covid-19, wie die “Fondation Valéry Giscard d’Estaing” mitteilt. Im September wurde er zum erstenmal mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus von Tours eingeliefert, kehrte aber noch einmal in sein Haus in Authon (Loir-et-Cher) zurück. Im November kam er erneut ins Krankenhaus, wo sich sein Zustand zusehends verschlechterte. Er verstarb in seinem Haus im Kreise der Familie.

Valéry Giscard d’Estaing (VGE) war nicht nur ein großer Freund Deutschlands, wo er, am 2. Februar 1926, in Koblenz geboren wurde. Er war auch der VDFG für Europa verbunden, die ihn mit dem Elsie-Kühn-Leitz-Preis auszeichnete, der ihm 1998 in Bremen für seine Verdienste um das deutsch-französische Verhältnis verliehen wurde.

In Erinnerung in Deutschland bleibt vor allem seine persönliche Freundschaft zu Helmut Schmidt, mit dem er viele Jahre zusammen regierte, zunächst als beide Finanzminister ihrer Länder waren, VGE ab 1969, Schmidt ab 1971; dann als Präsident bzw. als Bundeskanzler, beide ab 1974. Gemeinsam haben sie nicht nur Frankreich und Deutschland durch die Ölkrisen 1973 und 1979 gesteuert, sondern auch entscheidende Impulse für die Einigung Europas gegeben – mit der Einrichtung des “Europäischen Rates” der Staats- und Regierungschefs, der sich seit 1974 regelmäßig trifft und inzwischen zu dem entscheidenden Steuerungsorgan der EU geworden ist; aber auch mit der Entwicklung des “Europäischen Währungssystems” (EWS) 1979, aus dem dann die Währungsunion der Euro-Zone wurde. Schließlich trugen beide auch erheblich dazu bei, daß das Europäische Parlament seit 1979 in direkter Wahl von den Bürgern der EU gewählt wird. Auch die G7-Gipfel, zu dem er ursprünglich zur Diskussion der Weltwirtschaftslage nach der ersten Ölkrise nach Versailles einlud, sind eine Erfindung von VGE.

In Frankreich selbst stellte VGE den Generationswechsel dar. Mit 48 Jahren war er der jüngste Präsident der Republik, mit dessen Wahl 1974 zugleich die Ära des klassischen Gaullismus endete. Jacques Chaban-Delmas, einer der “Barone” des Gaullismus und Kandidat der gaullistischen Partei UDR, landete bei der Wahl nach dem Tod von Georges Pompidou auf dem dritten Platz hinter dem “Unabhängigen Republikaner” VGE, der es dann in der Stichwahl gegen Francois Mitterrand mit knappem Ausgang schaffte. Das Land wollte einen Wechsel. Und VGE brachte eine Reihe gesellschaftspolitischer, aber auch wirtschaftspolitischer Reformen auf den Weg. Die Ölkrisen 1973 und 1979 freilich machten dem Daueraufschwung der “Trente Glorieuses” (ca. 1945-1975) ein Ende. Seine Wiederwahl 1981 jedenfalls verfehlte er; diesmal lag Mitterrand vorn. Und in seiner Abschiedsrede an die Franzosen im Fernsehen konnte er seine Enttäuschung darüber nicht verbergen.

VGE blieb aber in der Politik. Bis 2004 amtierte er als Präsident seiner Heimatregion Auvergne. 1989 wurde er in Europäische Parlament gewählt und präsidierte ab 2001 den “Europäische Konvent”, der eine Verfassung für die Europäische Union ausarbeitete. Der vorgelegte Verfassungsvertrag wurde allerdings von einer Mehrheit der Franzosen (und Niederländer) bei den für die Ratifizierung in diesen Ländern organisierten Referenden abgelehnt.

VGE war auch Autor mehrerer Bücher und seit 2003 Mitglied der ruhmreichen Académie Francaise. Einer seiner letzten öffentlichen Auftritte war am 30. September 2019, als er den Beisetzungsfeierlichkeiten seines Premierministers und Nach-Nachfolgers Jacques Chirac beiwohnte. D.P.

  Begegnung zwischen Valéry Giscard d’Estaing und Elsie Kühn-Leitz, der Gründungspräsidentin der VDFG, am 25.3.1982 in Hannover.

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